INTERVIEW MIT EINEM SEXOLOGICAL BODYWORKER
Q: Heute geht es um das Thema Sexual-Coaching. Konstantin, du bist ausgebildeter Sexological Bodyworker. Ich habe darüber einiges auf deiner Homepage gelesen. Kannst du kurz nochmal zusammenfassen, was das Besondere an diesem Ansatz des Sexual-Coachings ist?
KD: In der Regel geht es beim Sexual-Coaching um eine ressourcenorientierte Sicht auf diejenigen, die zu uns kommen. Das heißt, alle bringen eine Menge an Fähigkeiten mit, die zum Teil verschüttet sind oder die sie nicht als Kapital betrachten. Wenn Menschen zu uns kommen, liegt ihr Hauptaugenmerk oft auf dem, was als Mangel erlebt wird. Wenn es gelingt, den Fokus zu ändern und den Blick auf das zu lenken, was Freude bereitet und immer noch Spaß machen kann, verändert das oft schon eine ganze Menge.
Aber zurück zu deiner Frage. Wie auch beim Sexocorporel werden beim Sexological Bodywork Körperübungen angeleitet, die den Klient*innen dabei helfen sollen, wieder ins Spüren zu kommen. Atmung, Bewegung und Stimme sind wichtige Ressourcen, die man nutzen kann, um sich intensiver zu fühlen. Außerdem stehen bei der Ausbildung zum Sexological Bodywork Massage und Berührung mit auf dem Lehrplan und werden den Klient*innen als zusätzliche Möglichkeit angeboten, um sie in der Selbstwahrnehmung und Selbsterfahrung zu unterstützen.
Aber nicht alle, die den Diplomlehrgang durchlaufen haben, arbeiten komplett synchron. Das liegt sicher auch daran, dass alle Sexological Bodyworker, die ich kennengelernt habe, bereits eine abgeschlossene Berufsausbildung und etliche Jahre Berufserfahrung in unterschiedlichen Branchen hinter sich hatten. Sei es als Kunsttherapeutin, Tanzlehrer, Psychologin oder Heilpraktiker. Und alle bringen diese Vorerfahrungen in irgendeiner Form mit ins Sexual-Coaching ein. Sie entwickeln ihren eigenen Stil. Und nicht alle bieten Massage und Berührungsarbeit an.
Q: Wie würdest du deinen Stil beschreiben?
KD: Auch mein Stil ist von dem geprägt, was ich früher gemacht habe. Dabei meine ich weniger das Germanistik-Studium, sondern die Ausbildung zum Tantramasseur. Danach habe ich mehrere Jahre nebengewerblich in einem Tantramassage-Studio in Nürnberg gearbeitet. Das heißt, ich habe jahrelang Erfahrungen gesammelt. Oder kurz gesagt: Ich weiß, wie man einen Raum hält, in dem sich Klient*innen sicher fühlen können, und wie man achtsam berührt – auch im Genital- und Analbereich. Das ist dann vielleicht weniger mein persönlicher Stil, aber definitiv eine Fähigkeit, die nicht alle in gleicher Weise mitbringen.
Q: Tantramassagen habe ich nicht auf deiner Homepage gefunden? Hast du damit aufgehört?
KD: Nein, aber meiner Meinung nach passen Tantramassagen nicht zum Angebot des Coachings. Coaching geht über das Angebot der Tantramassage hinaus und öffnet einen anderen Lern- und Erfahrungsraum. Deshalb findet sich dazu auch nichts auf meiner Homepage. Aber ich gebe weiterhin Tantramassagen im Tarisha in Nürnberg und im Spiritual Touch in München. Man findet mein Profil auch weiterhin auf der Seite von trustedbodywork, auf der Dienstleistungen zu finden sind von Menschen, die u.a. als Tantramasseur*innen, Sexological Bodyworker und Sexocorporel zertifiziert sind.
Q: Wie muss ich mir die Körperarbeit vorstellen? Wie berührst du als Coach deine Klient*innen?
KD: Wenn ich bei der Besprechung den Eindruck bekomme, dass es bei dem spezifischen Anliegen meines Klienten bzw. meiner Klientin hilfreich sein kann, dass wir mit einer konkreten Berührung oder Massage arbeiten, schlage ich das vor. Ich beschreibe, wie die Berührungs- oder Massagearbeit aussehen könnte. Meine Klient*innen können dann überlegen, ob sie sich das vorstellen können. Sie können aber auch ganz eigene Ideen haben, was ihnen gerade gut tun könnte oder wie sie sich dem Thema annähern wollen.
In der Regel findet dieser Teil der Arbeit an der Massagebank statt. Ich trage Sportbekleidung. Oft beginne ich mit einer Kopf-, Hand oder Fußmassage, um es meinen Klient*innen zu ermöglichen, überhaupt erstmal in ihrem Körper anzukommen. Selbst wenn sich die Klient*innen eine Berührung im Intimbereich als Möglichkeit der sexuellen Selbsterfahrung wünschen, braucht es ausreichend Zeit. Manchmal ist das dann erst in der dritten oder vierten Session möglich. Manchmal tendieren Klient*innen dazu, sich selbst zu überfordern. Insofern ist da auch größtmögliche Achtsamkeit von mir als Coach gefragt.
Während der Massage bzw. der Berührung sind wir ständig verbal in Kontakt. D.h. ich erkläre, was ich gerade tue und was als nächstes kommt. Ich frage nach, wie meine Klient*innen die Berührung erleben und was ich gegebenenfalls daran ändern soll, damit es sich noch besser anfühlt. Dadurch können meine Klient*innen nach und nach eine Art Landkarte ihres Körpers erstellen. Darauf ist dann nicht nur verzeichnet, welche Zonen sich besonders angenehm oder unangenehm anfühlen. Vielmehr können sie darauf auch Informationen zu Dynamik und Berührungsintensität aufzeichnen.
In der Praxis ist es keineswegs so, dass ich in jeder Session meine Klient*innen berühre. Bei manchen Anliegen kann es aber extrem hilfreich sein, dass nicht nur darüber geredet wird, was im Körper passiert, sondern es durch Berührung erfahrbar zu machen.
Q: Was ist, wenn Berührung für deine Klient*innen erregend ist?
KD: Das ist doch toll! Erregung ist zwar nicht das Ziel der Berührung, aber wenn sie entsteht, ist das nicht schlimm. Im Gegenteil. Es kann ja auch ein Teil des Anliegens sein. Wenn eine Klientin darunter leidet, dass sie kaum Gefühle in ihrer Vagina hat, wird sie sich darüber freuen, wenn sie wieder etwas spüren kann. Und wenn es sich erregend anfühlt, umso besser. Dann hat sie einen entscheidenden Schritt nach vorne getan. Bei Männern, die über Erektionsprobleme klagen, ist es übrigens ganz ähnlich. Oder Lustlosigkeit.
Q: Bei welchen Anliegen bietest du Massage bzw. Berührungssequenzen an?
KD: Generell ist Berührung für jeden Menschen wertvoll. Das hängt mit der Ausschüttung von Oxytocin zusammen, das oft als Bindungshormon bezeichnet wird. Das Besondere an der Massage bei einem Sexological Bodyworker ist, dass Berührung besonders intensiv reflektiert wird. Sie ist insofern Bestandteil gesundheitspraktischer Sexualpädagogik und hilft meinen Klient*innen dabei, etwas über den eigenen Körper zu erfahren und etwas Neues zu lernen. Insofern richtet sich das Angebot der Massage und Berührung erst einmal an alle, die zu mir kommen. Viel konkreter wird es z.B. dann, wenn Klient*innen Schmerzen und Verspannungen im Beckenbereich haben. Dann kann eine sachkundig und achtsam ausgeführte Massage dazu beitragen, den Zustand unmittelbar zu verbessern. Für eine nachhaltige Besserung sind allerdings meist mehrere Sessions nötig. Und natürlich die „Hausaufgaben“.
Es kommen auch Menschen, die aufgrund eines somatischen Traumas in Behandlung bei einer Therapeutin, einem Heilpraktiker, Osteopathen oder einer Ärztin sind, die ihnen dann eine Tantramassage oder den Besuch bei einem Sexological Bodyworker empfehlen, weil sie wissen, dass eine Massage im Genital- oder Analbereich etwas lösen und den Heilungsprozess unterstützen kann.
Q: Kannst du vielleicht noch was zum Thema „Hausaufgaben“ sagen? Ich könnte mir vorstellen, dass das bei manchen Menschen üble Erinnerungen an ihre Schulzeit wachruft.
KD: Ja, das stimmt. Das Wort ist nicht wirklich positiv besetzt. Die Hausaufgaben sind auch anders als in der Schule. Es sind Körperübungen, die sich meine Klient*innen am Ende einer Session selbst aufsuchen und die sie zwischen den Sitzungen alleine oder mit Partner*in regelmäßig ausführen können. So soll die Zeit bis zur nächsten Session dafür genutzt werden, selbst zuhause auszuprobieren und etwas über den eigenen Körper zu lernen. Es hat mal jemand zum Thema Lust bzw. Lustlostigkeit den Spruch geprägt: „Lust ist ein Muskel. Du musst ihn trainieren, wenn du willst, dass er wächst.“ Und so ähnlich ist es mit den meisten Dingen, die einem nicht einfach nur zufallen oder von Natur gegeben sind, sondern die wir durch Übung lernen – oder auch nicht. Ob man das nun Hausaufgaben nennen will oder nicht.
Q: Wie alt sind die Menschen, die zum Sexual-Coaching zu dir kommen?
KD: Ich habe in den letzten Jahren Menschen zwischen 26 und 71 Jahren zu Themen ihrer Sexualität begleitet. Aber ich bin mir sicher, dass zukünftig auch Menschen kommen werden, die deutlich jünger oder deutlich älter sein werden.
Q: Gibt es Themen im Sexual-Coaching, die typisch für Männer oder typisch für Frauen sind?
KD: Na klar. Männer haben häufiger mit Erektionsproblemen zu kämpfen. Und bei Frauen ist es verhältnismäßig häufig, dass sie sich wünschen, beim Sex mit ihrem Partner zum Orgasmus zu kommen. Stichwort „orgasm gap“. Allerdings liegt diesen scheinbar so unterschiedlichen Themen sehr häufig dieselbe Ursache zugrunde. Männer und Frauen setzen sich unter Druck. Und unter Druck funktioniert dann leider häufig gar nichts mehr. Das führt zu Lustlosigkeit und Sexverdrossenheit. Und zwar bei Frauen und bei Männern. Da sind sich die Geschlechter gar nicht so verschieden, wie man vielleicht glaubt.
Aber heute gibt es natürlich viel mehr sexuelle Orientierungen, nicht nur Menschen, die sich selbst eindeutig hetero-normativ einem der Geschlechter Mann oder Frau zuordnen. Und völlig unabhängig von der sexuellen Orientierung gibt es meist noch irgendwelche Themen, wo es sich lohnt, auf Entdeckungstour zu gehen.
Q: Mit welchen Themen kommen die Menschen sonst noch zu dir?
KD: Mit allem! Die sexuelle Prägung verläuft nicht einheitlich. Daher gibt es eigentlich nichts, was es nicht gibt. Jeder kann etwas anderes als problematisch erleben. Die zentrale Erkenntnis ist dann meistens, dass unsere Sexualität ein Leben lang Veränderungen unterworfen ist. Wir können lernen, damit umzugehen oder etwas anders zu machen. Wir können unsere Sexualität selbst gestalten.
Es kommen auch Menschen mit Fragestellungen zu mir, bei denen sie alleine nicht weiterkommen: Orgasmusfähigkeit, weibliche Ejakulation, „slow sex“, positiver Umgang mit Pornos oder Sex-Toys, die Suche nach der eigenen sexuellen Identität oder dem eigenen Erregungsmuster usw. Viele sind auf der Suche nach der verlorenen Lust. Und manche wollen einfach „nur“ lernen, intensiver zu spüren.
Q: Ich habe gesehen, dass du auch Paar- und Sexualberatung anbietest. Wo siehst du dabei die Unterschiede zum Sexological Bodywork?
KD: Bei Paar- und Sexualberatung wird oft weniger Wert auf Massage und Berührung gelegt. Trotzdem ist Körperarbeit auch hier meist ein wichtiges Thema. Schließlich kommen die meisten Paare deshalb, weil ich über eine Expertise verfüge, die sie anderswo nicht finden. Es hilft mir in der Paarberatung, dass ich eine Ausbildung zum Systemischen Management Coach gemacht habe. Ich weiß, wie wichtig es ist, meine eigenen Themen aus dem Prozess draußen zu halten. Ich muss genau hinhören, was meine Klient*innen wollen und wo sie der Schuh drückt und nicht schon mit fertigen Lösungen um die Ecke zu biegen.
Die Anliegen von Paaren, die zu mir kommen, haben fast immer etwas mit ihrer Sexualität zu tun. Auch wenn dahinter oft noch andere Themen stecken. Und sie kommen zu mir, weil andere Coaches sich nicht ausreichend qualifiziert führen, sie bei diesen Themen zu begleiten. Bei mir merken sie dann sehr schnell, dass alles ausgesprochen werden kann. Da macht es am Ende auch den etwas Gehemmteren Spaß, nicht nur über Sex im Allgemeinen, sondern über ihre eigene Sexualität zu reden. Bei mir wird viel gelacht, auch wenn man am Anfang vielleicht gedacht hat: „Wir sind ein hoffnungsloser Fall!“ Hoffnungslos ist es nur dann, wenn man nicht hinsehen, nicht verstehen und nicht lernen will.
Q: Und was wollen Paare lernen?
KD: Auch da gilt: es gibt nichts, was es nicht gibt. Paare wollen lernen, wie sich die Qualität gegenseitiger Berührung verbessern lässt. Wie sie aus der Routine herauskommen. Was sie machen können, um wieder mehr Lust zu spüren. Oder wie sie lernen können, sich beim Sex mehr Zeit zu lassen. Für viele ist Sex Penetration und Orgasmus. Vielleicht noch garniert mit ein wenig Vorspiel. Aber das ist nur das Sahnehäubchen. Der wahre Schatz sind die vielfältigen Möglichkeiten partnerschaftlichen Begegnungen.
Ach ja, fast vergessen: Kommunikation! Oft geht es erstmal um die Grundlagen, um Fragen wie: Wie können wir unsere Wünsche und Bedürfnisse verbalisieren? Wie können wir als Paar angstfrei über unsere Sexualität reden?
Aber das sind nur einige Beispiele für das, was Paare miteinander lernen wollen. Und nochmal: Wichtig ist, dass beide Partner*innen im Coaching etwas dazu lernen wollen.
Im Verlauf des Prozesses bin ich dann oft erstaunt, was ich alles von meinen Klient*innen lernen kann und wie bereichernd der Austausch mit ihnen ist.
Q: Danke für das Gespräch.